Daniel Steinhofer gehört zu den Menschen, die nicht einfach bestehende Strukturen weiterführen, sondern die Dinge hinterfragen und auch einmal querdenken, wie er im VN-Heimat-Interview bekräftigt.
Weshalb finden Sie das Amt des Kulturreferenten reizvoll?
Daniel Steinhofer: Lustenaus Kulturlandschaft blüht! Sie blüht, weil wir 30 Kulturvereine haben, die auf höchstem Niveau ihrem Vereinszweck frönen. Sie blüht, weil wir Kulturschaffende haben, die hochprofessionell arbeiten. Aber sie blüht auch, weil wir durch Verlässlichkeit und Zusammenarbeit auf Augenhöhe, Kulturinitiativen aus dem ganzen Land anziehen. Und sie blüht, weil die Lustenauerinnen und Lustenauer rege am Geschehen teilnehmen und dadurch diese Blüte erst möglich machen. Es ist also ein absoluter Traumjob, hier – quasi als Gärtner – optimale Rahmenbedingungen zu schaffen, alle Akteure zu begleiten und damit die Lebensqualität in unserer Gemeinde zu erhöhen.
„Geschichte ist der Dialog der Gegenwart mit der Vergangenheit über die Zukunft“: Unterschreiben Sie diese Definition?
Daniel Steinhofer: Ja! Mein Leitspruch ist „Historia magistra vitae“ – „Geschichte, Lehrmeisterin des Lebens“. Die direkte Auseinandersetzung mit Geschichte hilft, Zusammenhänge zu verstehen und Entwicklungen sichtbar zu machen. Dabei soll dieser Dialog mit der Geschichte uns auch helfen, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Es geht dabei nicht darum, mit dem Zeigefinger auf gewisse historische Aspekte zu zeigen, sondern darum, die notwendige Basis und die möglichen Anknüpfungspunkte für eine tiefere Befassung mit unserer Geschichte zu schaffen und vor allem jüngeren Bürgerinnen und Bürgern anbieten zu können.
2015 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 70. Mal. Eine ganze Reihe weiterer großer Gedenkanlässe bestimmt den Kalender: Flammentod des böhmischen Reformators Jan Hus (1415) und die Magna Charta der Briten (1215) usw. Gedächtniskultur ist ein fein gestricktes Gewebe von Stimmungen, Einstellungen und Gedanken. Hilft das dem Land?
Daniel Steinhofer: Ich halte die Erinnerung an gewisse, maßgebliche historische Momente für wichtig und sinnvoll. Noch immer gibt es historische Tabus, mit denen auch Historiker sich lieber nicht beschäftigen wollen. Ein Musterbeispiel dafür, dass es nicht immer so sein muss, ist für mich die Entstehung unserer „Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus“. Neben der – im Gegensatz zu anderen Orten – friktionsfreien Entstehung, ist die Gedenkstätte auch jetzt aktuell noch der Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dem Thema NS-Krankenmorde. Auch heuer werden wieder einige Klassen mit ihren engagierten Lehrern auf Einladung der Marktgemeinde Lustenau Schloss Hartheim besuchen und dort mit einem unter die Haut gehenden Teil unserer Geschichte konfrontiert.
Politik, Kirchen und Schulen haben viel zu erklären. Zu viel Erinnerungskultur?
Daniel Steinhofer: Erinnerungskultur in Form von pompöser Inszenierung lehne ich vollkommen ab. Aber ich begrüße Erinnerungskultur, die das Interesse vor allem von Menschen, die sonst kaum in Berührung mit historischen Themen kommen, weckt. Und die Erinnerung in unserem Land scheint mir nicht so überladen zu sein, dass man von zu viel Erinnerungskultur sprechen könnte. Im Gegenteil, ich sehe es als enorm wichtige Aufgabe, dass wir auch als Gemeinde hier wirksame Akzente setzen.
Dass die Politik Lehren aus der schrecklichen Vergangenheit gezogen hat, wird von den Bürgern eher verneint. Wie stehen Sie zu solchen Mutmaßungen?
Daniel Steinhofer: Ich denke schon, dass die Gesellschaft an sich ihre Lehren aus der „schrecklichen Vergangenheit“ gezogen hat, auch wenn es ein paar Ewiggestrige gibt, die durch falsche Wortmeldungen mediale Präsenz erhaschen wollen. Unsere Aufgabe ist es, den jungen Menschen Geschichte zu vermitteln und Anreize zu bieten, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Nur so kann eine entsprechende Grundeinstellung in der Gesellschaft und damit letztlich auch in der Politik manifestiert werden. Wesentlich ist aber, dass aus diesem Wissen um diese „schrecklichen“ Aspekte der Geschichte ein offener und vorurteilsfreier Umgang und Austausch zwischen allen Bevölkerungsgruppen resultiert.
In Österreich herrscht generell eine politische Mentalität des Wegschauens und nicht zur Kenntnis nehmen wollen vor. Brauchen wir eine neue politische Kultur?
Daniel Steinhofer: Man könnte diese politische Mentalität noch um Intransparenz und Populismus erweitern. Grundsätzlich wird Vieles dem kurzfristigen politischen Kleingeldmachen untergeordnet. Man kann das eindrücklich beobachten, wenn Oppositionsparteien in Regierungsverantwortung kommen – wie etwa bei uns im Land – und dann plötzlich merken, dass es nicht klug ist, alles, was man vorher ohne Bedacht auf die Konsequenzen fordern konnte, auch umzusetzen. Ich empfehle daher, die politische Kultur des offenen Miteinanders und der Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg, wie wir sie in Lustenau pflegen.
Was muss die Politik leisten, um bürgerschaftliches Engagement zu fördern?
Daniel Steinhofer: Politik muss in erster Linie bürgerschaftliches Engagement zulassen und dann auch ehrlich praktizieren. Sie darf dabei jedoch nicht bevormunden und auch nicht instrumentalisieren. Die Förderrichtlinien der Kulturvereine in Lustenau wurden etwa von den Kulturvereinen formuliert und schließlich auch mit Leben erfüllt. Auch an der Weiterentwicklung sind die Kulturvereine beteiligt, so dass die Marktgemeinde Lustenau treffsicher fördern kann. Da hat sich in den vergangenen fünf Jahren wirklich enorm viel getan.
Gibt es ein Projekt, das Ihnen dieses Jahr besonders am Herzen liegt?
Daniel Steinhofer: Mir fallen langsam spürbare negative Tendenzen im Mitgliederstand von Kulturvereinen auf, denen frühzeitig entgegengewirkt werden muss. Mittel- bis langfristig haben wir etwa im Gesangsbereich durch den Elementaren Musikpädagogikunterricht in den Volksschulen, durch Chorprojekte für Kinder und Jugendliche und durch die Förderung von Nachwuchschorleitern bereits Maßnahmen gesetzt. Ebenso haben wir eine gemeinsame, professionelle Präsentation der Kulturvereine durch kompakte und optisch ansprechende Folder umgesetzt. Ich möchte heuer aber zusammen mit den Kulturvereinen und einschlägigen Experten auch kurzfristige Maßnahmen der Mitgliederwerbung finden und diskutieren.
Was macht Ihre Arbeit so besonders?
Daniel Steinhofer: Mir gefällt ganz besonders der intensive Kontakt mit den Menschen in unserer Gemeinde. Außerdem genieße ich die besonders vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Kulturabteilung, der Musikschule, dem Gemeindearchiv und dem Reichshofsaal. Das hat schon eine besondere Qualität! Außerdem freue ich mich über das große Vertrauen, das mir von den Kulturvereinen und Kulturschaffenden entgegen gebracht wird. Ich fühle mich bei „meinen“ Kulturvereinen und -schaffenden immer unheimlich wohl.
Gibt es etwas, worauf Sie als Kulturreferent von Lustenau besonders Stolz sind?
Daniel Steinhofer: Ich habe mir vor fünf Jahren gesagt, dass ich als Kulturreferent so präsent sein möchte, dass keine Bürgerin und kein Bürger sich in eine meiner Sprechstunden bemühen muss, weil man mich „überall“ ansprechen kann und auch soll. Und das ist mir – bis auf eine einzige Ausnahme – auch gelungen…
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person: LAbg. Daniel Steinhofer
Alter: 36
Wohnort: Lustenau
Beruf: Landtagsabgeordneter und Kulturreferent der MG Lustenau
Zuletzt gelesenes Buch: „Kulturinfakt“